Die Schulbibliothek des Bundesschulzentrums Mistelbach verwaltet aktuell rund 14.000 Medien. In den letzten 30 Jahren wurde die Bibliothekssoftware mehrfach gewechselt. Ein bedeutender Meilenstein war die Einführung eines Web-OPAC im Jahr 1999, der es ermöglichte, über das Schulnetzwerk und später auch über das Internet im Bestand der Bibliothek zu recherchieren.

Im Jahr 2018 stand ein größeres Software- und Datenbankupdate der damals verwendeten Bibliothekssoftware an, die laut Hersteller in Deutschland marktführend ist. Anstatt jedoch einen größeren Geldbetrag für ein Update auszugeben und mit einem nicht zufriedenstellenden Datenbestand aus einer Migration im Jahr 2009 weiterzuarbeiten, entschied man sich, das Open-Source-Bibliothekssystem Koha zu testen.

Was ist Koha?

Die Entwicklung von Koha begann 1999 in Neuseeland, um ein damals eingesetztes Bibliothekssystem mit einem Y2K-Bug zu ersetzen. Die erste Installation von Koha ging im Januar 2000 in Betrieb. Heute wird Koha weltweit genutzt, von kleinen Gemeindebibliotheken bis hin zu Hochschulbibliotheken und öffentlichen Institutionen. Der Quellcode steht unter der GNU General Public License. Technisch basiert Koha auf der Skriptsprache Perl, die um die Jahrtausendwende populär war, verwendet MySQL/MariaDB als Datenbank und läuft unter Linux. Es lässt sich über Debian-Softwarepakete leicht installieren und aktualisieren. Der Katalogbestand wird im MARC-Format gespeichert und über die Suchmaschine Zebra oder Elasticsearch zugänglich gemacht.

Erstes Kennenlernen

Die Migration eines Bibliothekskatalogs ist umfangreich, insbesondere wenn ein gut gepflegter Datenbestand übernommen werden soll. In unserem Fall wurden seit 1994 bei Migrationen immer wieder Altlasten, wie z.B. mehrfach vorhandene Titel- und Exemplardatensätze, mitgeschleppt, die in das neue System nicht übernommen werden sollten. Zudem gestalten einige Hersteller die IDs für die Barcodes sehr nahe an einem Vendor Lock-In (Nullen werden an eine ID hinten angehängt anstatt vorne aufgefüllt, um auf eine fixe Länge zu kommen, IDs werden nicht als fixer Wert in der Datenbank gespeichert, sondern aus diversen Merkmalen zusammengesetzt), um eine Übernahme in ein anderes System zu erschweren oder mühsame Nacharbeit (neue Barcode-Etiketten auf alle Medien) zu erzwingen. Koha hingegen erlaubt uns die Weiterverwendung aller alten Barcode-IDs (historisch bedingt 6-, 8- und 13-stellig).

Für eine Demo-Instanz wurden zunächst alle Titel- und Exemplardatensätze aus der alten Oracle-Datenbank mit Python und Pymarc minimalistisch für einen Import aufbereitet. Zusätzlich wurden einige Titeldatensätze über die Schnittstellen der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und des K10plus-Katalogs importiert, um den Umgang mit gut aufbereitetem Datenmaterial zu testen. Erwerbung, Katalogisierung und Etikettendruck wurden ebenfalls exemplarisch durchgeführt.

Nach einigen Tests stand fest:

  • Wir wollen Koha als Bibliotheksverwaltungssystem einführen.
  • Wir wollen eine vollständige Inventur durchführen und nur Datensätze von vorhandenen Medien in Koha importieren.
  • Wir wollen bei der Übernahme der Medien eine möglichst automatisierte Anreicherung der Titeldatensätze aus den Katalogen der DNB oder K10plus und bei englischer Literatur über die British Library durchführen.
  • Wir wollen Rezensionen vom Österreichischen Bibliothekswerk per API übernehmen.

Die Migration

Die Inventur erfolgte im Juni 2020 mit Unterstützung von Schüler:innen. In mehreren Teams mit Laptops und Barcodescannern wurden alle Medien gescannt und über eine schnell zusammengestellte Webanwendung auf Laravel-Basis mit dem vorhandenen Datenbestand abgeglichen und gegebenenfalls korrigiert. Im Hintergrund erfolgte mithilfe der ISBN ein Abgleich mit dem Katalog K10plus bzw. dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Nicht eindeutig verknüpfbare Datensätze wurden von anderen Schüler:innen händisch nachgearbeitet. So konnten rund 10.000 Medien automatisch oder mit wenig Handarbeit aufbereitet werden.

Im Sommer 2020 wurden mit Python und Pymarc aus den Daten der Inventur, den importierten Daten aus den Katalogen, den Bestandsdaten und den Rezensionen vom Bibliothekswerk ein neuer Datenbestand aus Titel- und Exemplardaten erzeugt und in Koha importiert. Von den übrigen ca. 4.000 Medien wurde ein Großteil händisch nachbearbeitet und im Laufe der Zeit ebenfalls importiert. Vereinzelte Medien werden weiterhin bei Bedarf (z.B. bei der Rückgabe) nachgearbeitet.

Mit Beginn des neuen Schuljahres im September 2020 startete der Live-Betrieb mit Koha, ergänzt durch die Stammdaten der Schüler:innen (über das Sokrates Bund).

Unsere Erfahrungen aus den letzten vier Jahren

  • Keine Lizenzkosten oder künstliche Einschränkungen auf die Anzahl der Arbeitsplätze oder verwaltete Medien
  • Mit entsprechendem Knowhow im Haus läuft die Koha-Installation einfach nebenbei mit und wird regelmäßig aktualisiert
  • Webbasierende Oberfläche: Bibliotheksarbeit kann auch ganz leicht außerhalb der Bibliothek erledigt werden
  • Koha wird ständig weiterentwickelt: zweimal im Jahr (Mai und November) werden neue Versionen mit zusätzlichen Features veröffentlicht, kleinere Aktualisierungen mit Fehlerbehebungen erscheinen monatlich
  • Über einfache Schnittstellen kommt man kostenlos an qualitativ hochwertige Daten, die ohne Einschränkungen verwendbar sind (Die Metadaten der DNB und aus K10plus stehen unter der CC0-Lizenz)
  • Über Mailinglisten (englisch und deutsch) findet ein reger Austausch statt, in den Archiven findet man viele wertvolle Anregungen
  • Im monatlichen Koha Community Newsletter findet man Versionsinfos zu den letzten Updates, praktische Tipps und Tricks für die tägliche Arbeit und Aus- und Rückblick zu aktuellen Veranstaltungen
  • Neben dem Support über die Community gäbe in Österreich bzw. im deutschsprachigen Raum diverse Dienstleister, die man für Unterstützung anfragen könnte

Migration von Littera zu Koha

In österreichischen Bundesschulen kommt durch eine Generallizenz des Bildungsministeriums oft die Bibliotheksverwaltungssoftware LITTERA zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Windows-Anwendung, die kostenpflichtig mit einem Web-OPAC für Recherche und Kontoverwaltung erweitert werden kann.

Stephan Tetzel hat auf seinem Blog einen Migrationspfad von LITTERA zu Koha in mehreren Teilen dokumentiert:
https://zefanjas.de/umstieg-von-littera-zu-koha-teil-1/

Einfach ausprobieren

Es stehen einige Demo-Instanzen zur Verfügung, um Katalog und Verwaltungsoberfläche auszuprobieren:
https://koha-community.org/demo/

Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay

Kategorien: AllgemeinSoftwareTools

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