Künstliche Intelligenz dringt immer mehr in die Schule hinein, wenngleich das derzeit nicht automatisch auch die Nutzung im Klassenzimmer bedeutet (z.B. nutzen Schüler KI oft zur Unterstützung bei Hausaufgaben). Den KI-Enthusiasten schreitet die Entwicklung zu langsam voran, den KI-Skeptikern und kritischen Technik-Nutzern zu schnell.

KI der KI wegen einzusetzen ist aber sicher der falsche Weg. Es muss darum gehen, nachhaltige Mehrwerte zu generieren. In diesem Sinne ist wohl auch die Idee des Bildungsministeriums zu sehen, über 100 KI-Pilotschulen entsprechende Erfahrungen und Erkenntnisse zu gewinnen.

Dass es nicht immer sinnvoll ist, unreflektiert auf die Angebote der großen Technik-Konzerne aufzuspringen, wird u.a. im Weltbildungsbericht der Unesco kritisch beäugt:

Auch der aktuelle Weltbildungsbericht der Unesco stellt kritische Fragen zum Technikeinsatz im Kontext von Bildung. Unter dem Titel „Technologie in der Bildung, Ein Werkzeug – zu wessen Bedingungen?“ kritisieren die Autoren unter anderem, dass es nicht genügend belastbare Daten zu den Effekten digitaler Technik im Bildungswesen gebe. Häufig stammten diese von den Technikanbietern selbst, so der Bericht. Die Verfasser mahnen an, langfristige Kosten des Technikeinsatzes stärker zu bedenken und rechtzeitig zu prüfen, welche Soft- und Hardware pädagogisch sinnvoll, chancengerecht, skalierbar und nachhaltig einsetzbar ist. (c’t magazin für computer technik, Ausgabe 11, 10.5.2024, Wenn ChatGPT die Hausaufgaben macht, Seite 139)

Während manche Beteiligte im Bildungssystem den konkreten Nutzen der 100 KI-Pilotschulen hinterfragen, kann umgekehrt auch nicht viel Schaden damit angerichtet werden wie es etwa in den skandinavischen Ländern mit großflächigen Erprobungen der Fall zu sein scheint:

Nun rudern ausgerechnet Schweden und Dänemark beim IT-Einsatz an Schulen zurück. Zuletzt war auch dort das Niveau der gemessenen Schülerleistungen gesunken, trotz fortschrittlicher Schul-IT. Die schwedische Bildungsministerin Lotta Edholm will die Digitalisierungsstrategie daher bremsen. Gerade in den unteren Klassen sollen Schüler wieder verstärkt Bücher und Hefte verwenden. Dänemarks Minister für Kinder und Bildung, Mattias Tesfaye, entschuldigte sich in einem Interview mit der dänischen Tageszeitung „Politiken“ bei den Jugendlichen des Landes für die „naive Technikbegeisterung“ der vergangenen Jahre, dass man sie zu „Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment“ gemacht habe. (c’t magazin für computer technik, Ausgabe 11, 10.5.2024, Wenn ChatGPT die Hausaufgaben macht, Seite 139)

In diesem Sinne scheint mir auch folgende Aussage von Thomas Egger (Leiter der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnologie, BMBWF) im Zuge der getesteten KI-Anwendungen im Ressort auf die Schule übertragbar zu sein:

Die Erfahrung habe gezeigt: „Die Leute benutzen nur, was sie wirklich brauchen“

https://www.derstandard.at/story/3000000230589/bildungsministerium-testet-als-erstes-ressort-ki-anwendungen

Derzeit wird die Schule mit KI-Anwendungen überflutet bzw. zugemüllt. Es gilt jene Anwendungen zu finden und gezielt einzusetzen, die – wie oben bereits skizziert – nachhaltig Mehrwerte generieren. Letztendlich werden das jene KI-Tools sein, die Schüler und Lehrer wirklich unterstützen. Welche das sind, wird die Zukunft zeigen.

Schön langsam setzt auch die Erkenntnis im Österreichischen Bildungssystem ein, dass sich nicht alle verfügbaren KI-Tools auch für den schulischen Einsatz eignen. ChatBots wie ChatGPT (OpenAI) Gemini (Google) oder Copilot (Microsoft) weisen in ihren europäischen Nutzungsbedingungen derzeit das Mindestalter von 18 Jahren aus. Für den Einsatz im Unterricht sind solche Werkzeuge somit ungeeignet – das Unterrichtsfach Digitale Grundbildung fängt aber bereits in der 5. Schulstufe (Sek I) an. Ein Lösungsansatz weg von Theorie-lastigem Unterricht besteht in der Bereitstellung von Open Source Lehr- und Lernplattformen, welche KI-Anwendungen basierend auf freien Modellen ohne Datentransfer zu Drittanbietern integrieren:

Doch es gibt viele Hürden auf dem Weg zum KI-gestützten Unterricht. Viele spezialisierte KI-Tools, mit denen sich teils verblüffende Audios, Videos, Präsentationen und vieles mehr erstellen lassen, schweigen sich über ihre Nutzungsbedingungen aus. Gerade bei kostenlosen Angeboten bleibt oft unklar, was mit den Daten passiert, die der Nutzer eingibt. […] All das darf beim Einsatz in einer Bildungseinrichtung nicht passieren. Im Schulunterricht das kostenlose Angebot von OpenAI zum Einsatz von ChatGPT zu nutzen, verbietet sich aus Datenschutzgründen. Lehrer haben zudem gar nicht das Recht, von ihren Schülern zu verlangen, dass diese einen Account bei OpenAI anlegen.
Mit speziellen Lehr- und Lernplattformen sind Schulen auf der sicheren Seite. Das 2018 gestartete Hamburger Unternehmen fobizz ist ein Beispiel für Plattformen dieser Art. (c’t magazin für computer technik, Ausgabe 11, 10.5.2024, Wenn ChatGPT die Hausaufgaben macht, Seite 137+138)

Das Bildungsministerium ist hier gefordert, Software bzw. Unterrichtsmittel anzubieten, die unabhängig von ausländischen Software-Monopolisten sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass man nicht den Marketing Versprechen der Konzerne aufsitzt, die man auf Grund fehlender Transparenz auch nicht kontrollieren zu vermag.

Suleymann Mustafa (Mitbegründer von DeepMind) sieht gar einen Tsunami auf die Menschheit einbrechen, der dringend reguliert werden muss. Denn mit dem Aufstieg von Alphabet, Microsoft, Nvidia und zuletzt OpenAI bedrohen diese Megakonzerne die Rolle der Nationalstaaten. KI wird den Machtstatus dieser Firmen weiter festigen, denn nur sie haben die Mittel und die Daten, die größten Foundation-Modelle zu trainieren, um sie anschließend an andere Unternehmen und Branchen zu vermieten. (c’t magazin für computer technik, Ausgabe 11, 10.5.2024, Webstühle des 21. Jahrhunderts, Seite 134)

Auch die Europäische Kommission ist dazu angehalten, neben ihrer Bestrebungen zu Regulierungen auch freie KI-Modelle zu fördern, dabei die Sektoren Wissenschaft und Forschung zu stärken und in Folge einen Gegenpool zu KI-Entwicklungen zu bilden, die sich im Besitz einiger weniger Großkonzerne befinden.

Um KI als Gesamtphänomen zu erfassen, müssen also auch wir […] eine Vielzahl von Disziplinen beleuchten. Dazu gehören auch ethische Fragen: Wo ist die Grenze, an der Maschinen dem Menschen keine Entscheidungen abnehmen sollten? Wo ist der Punkt, an dem das angestrebte Wachstum von KI-Systemen kippt und nicht mehr nützlich, sondern schädlich wird? Welche Auswirkungen hat KI bereits heute auf die Bildung und den Arbeitsmarkt? Wie ist der unter hohem Zeitdruck verhandelte AI Act der Europäischen Union zu bewerten, der Regeln für den Einsatz von KI in einigen Risikobereichen aufstellt, die größten Risiken beim Militär un der inneren Sicherheit aber ausklammert? Wie steht es um Transparenzpflichten und Urheberrechte? Was müssen Entwickler von KI-Systemen beachten? Und welchen Schutz können Autoren und Künstler erwarten, wenn ein KI-Entwickler ihre Vorbehalte gegen das Training mit ihren Werken missachtet?
All diese Fragen können auch wir nicht vollständig beantworten. Deshalb zum Abschluss nur ein Beispiel, wie mit dem Aufkommen des Internets ein Projekt zur Kollektivierung des gesammelten Weltwissens erfolgreich wurde: Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie ist seit Jahrzehnten erfolgreich, weil sie gemeinnützig organisiert ist und sich nie dem Werbemarkt oder einzelnen Investoren unterwerfen musste. Das ist der Grund für ihre Akzeptanz und die Unterstützung durch so viele Menschen überall auf der Welt. (c’t magazin für computer technik, Ausgabe 11, 10.5.2024, Webstühle des 21. Jahrhunderts, Seite 135)

KI mag eine disruptive Technologie darstellen, die ähnliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Menschheit nimmt wie die Entdeckung des Feuermachens, des Rads oder der Elektrizität (Suleyman Mustafa, Mitbegründer von DeepMind). Damit die digitale Revolution für alle mehr Segen als Fluch wird, gilt es diesen Fortschritt im Sinne eines Allgemeinguts und Allgemeinwohls unabhängig von einzelnen Konzernen wie OpenAI, Nvidia, Google oder Microsoft aufzubauen!


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