Diesem Satz begegnet man immer wieder und es ist nicht immer leicht, dagegen zu argumentieren.

Wenn jemand behauptet, er habe nichts zu verbergen, ist es wichtig, die weiteren Implikationen und möglichen Folgen einer solchen Aussage zu bedenken. Auch wenn es sich um eine einfache Behauptung handeln mag, gibt es eine Reihe von Argumenten, die diese Sichtweise in Frage stellen können. In diesem Beitrag wollen wir einige Gegenargumente liefern und auf andere Seiten verweisen, die sich mit diesem Thema bereits befasst haben.

  1. Privatsphäre als Grundrecht:
    Ein Argument gegen die Behauptung, nichts zu verbergen zu haben, beruht auf der Anerkennung der Privatsphäre als grundlegendes Menschenrecht. Die Privatsphäre ermöglicht dem Einzelnen die Kontrolle über seine persönlichen Daten und schützt ihn vor ungerechtfertigten Eingriffen. Selbst wenn jemand glaubt, er habe derzeit nichts zu verbergen, ist das keine Garantie dafür, dass er in Zukunft nichts zu verbergen hat. Die Umstände können sich ändern, und persönliche Informationen können ohne Zustimmung missbraucht oder ausgenutzt werden. Daher ist die Wertschätzung der Privatsphäre als Grundrecht von wesentlicher Bedeutung für die Wahrung der Autonomie des Einzelnen und den Schutz vor potenziellem Schaden.
  1. Potenzieller Machtmissbrauch:
    Ein weiteres Argument bezieht sich auf die Möglichkeit des Machtmissbrauchs durch die Inhaber von Machtpositionen. In der Geschichte hat es zahlreiche Fälle gegeben, in denen Regierungen oder andere Stellen personenbezogene Daten genutzt haben, um Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund ihrer Überzeugungen, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder anderer Merkmale zu verfolgen. Durch die Gewährung des uneingeschränkten Zugangs zu persönlichen Informationen können Einzelpersonen ungewollt denjenigen Munition liefern, die sie manipulieren oder kontrollieren wollen. Selbst wenn eine Person nicht an illegalen Aktivitäten beteiligt ist, können ihre persönlichen Daten auf verschiedene Weise gegen sie verwendet werden, z. B. für Diskriminierung, Überwachung oder Social Engineering.

  2. Datenaggregation und Profiling:
    Im heutigen digitalen Zeitalter werden riesige Datenmengen von verschiedenen Stellen wie Regierungen, Unternehmen und Online-Plattformen gesammelt und aggregiert. Diese Daten können dazu verwendet werden, detaillierte Profile von Personen zu erstellen, einschließlich ihrer Gewohnheiten, Vorlieben und Verhaltensweisen. Während einige argumentieren, dass diese Datenerfassung für gezielte Werbung oder die Verbesserung von Dienstleistungen notwendig ist, gibt sie auch Anlass zur Sorge über die Aushöhlung der Privatsphäre und das Potenzial für Manipulationen. Persönliche Informationen können dazu verwendet werden, Entscheidungsprozesse zu beeinflussen, Meinungen zu formen und sogar zukünftiges Verhalten vorherzusagen. Selbst wenn jemand glaubt, dass er nichts zu verbergen hat, kann die Sammlung und Erstellung von Profilen seiner Daten daher erhebliche Auswirkungen auf seine Autonomie und Freiheit haben.

Arguing that you don’t care about the right to privacy because you have nothing to hide is no different than saying you don’t care about free speech because you have nothing to say.


Die Behauptung, dass einem das Recht auf Privatsphäre egal ist, weil man nichts zu verbergen hat, ist nichts anderes als die Behauptung, dass einem die Redefreiheit egal ist, weil man nichts zu sagen hat.

— Edward Snowden

  1. Wenn der Großteil der Meinung ist, keine Privatsphäre mehr haben zu müssen, wird diese auch abgeschafft, um die Interessen von Politik und Wirtschaft verfolgen zu können. Das kann man ganz gut in manchen Staaten beobachten z.B. Russland, China/Honkong, Türkei oder auch Ungarn, wo die Politik die Meinungsfreiheit bereits massiv beschnitten hat.
  1. Darüber hinaus teilen jene Personen, die nichts zu verbergen haben, immer auch Daten von Verwandten und Freunden, mit denen diese interagieren, denen Privatsphäre aber wichtig ist. Bestes Beispiel dazu ist WhatsApp. Manche haben kein WhatsApp, landen aber im Adressbuch mancher Handybesitzer – vielleicht gleich mit Adresse, Telefonnumer und Geburtsdatum – die das Adressbuch mit Meta teilen, indem sie WhatsApp auf ihrem Handy installiert haben. Daraus resultieren dann die sogenannten Schattenprofile. [1]

digitalcourage bietet ebenfalls einige gute Argumente. Diese können auch als PDF heruntergeladen werden.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre, unabhängig davon, ob er etwas zu verbergen hat oder nicht. Die Privatsphäre ist ein grundlegendes Menschenrecht, das geschützt werden muss, um die individuelle Freiheit, die Meinungsfreiheit und den Schutz vor Missbrauch zu gewährleisten. Das sollten wir uns immer vor Augen halten.

Abschließend noch weitere Links zum Thema:

https://digitalcourage.de/nichts-zu-verbergen

https://wiki.piratenpartei.de/Ich_habe_nichts_zu_verbergen!

https://www.amnesty.de/informieren/artikel/7-gruende-weshalb-ich-habe-nichts-zu-verbergen-die-falsche-reaktion-auf

https://www.wired.com/2013/06/why-i-have-nothing-to-hide-is-the-wrong-way-to-think-about-surveillance/

https://www.boxcryptor.com/de/blog/post/nothing-to-hide/

https://www.zeit.de/kultur/2016-11/privatsphaere-persoenliche-assistenz-google-home-ueberwachung-edward-snowden

https://gnulinux.ch/ich-hab-noch-nichts-zu-verbergen

[1] https://netzpolitik.org/2018/ob-nutzer-oder-nicht-facebook-legt-schattenprofile-ueber-alle-an/

Image by 192635 from Pixabay

Kategorien: Privatsphäre

1 Kommentar

Martin · 31.10.2023 um 11:38

Was sagt eigentlich das Ministerium zum neuen MS-Servicevertrag? Alleine schon der Abschnitt „iii. Überprüfung. Wo zutreffend, können wir Inhalte einer Prüfung durch automatisierte Systeme und Personen unterziehen, um Verdachtsfälle von Spam, Betrug, Phishing, Malware, Jailbreaking oder anderen unrechtmäßigen Inhalten oder Verhaltensweisen zu identifizieren.“ ist für mich 1984 par excellence. Zumindest bei uns (und ich denke an den meisten Schulen) werden Schülerlisten, sämtliche Dokumente etc etc in Microsoft Programmen erstellt.
Oder „[…] um Sie und die Dienste zu schützen und um die Produkte und Dienste von Microsoft zu verbessern, gewähren Sie Microsoft eine weltweite und gebührenfreie Lizenz für geistiges Eigentum zur Verwendung Ihrer Inhalte, z. B. um Kopien Ihrer Inhalte zu erstellen oder Ihre Inhalte aufzubewahren, zu übertragen, neu zu formatieren, mithilfe von Kommunikationswerkzeugen zu verteilen und über die Dienste anzuzeigen.“ heißt für mich, das zB. MS ein beliebiges Dokument aus einer Schule nehmen könnte und weitergeben dürfte. Auch dass die bildung.gv-Email eine MS-Lösung ist, finde ich schon wieder mehr als bedenklich. Wo bleiben hier die strenge DSGVO und die Datensouveränität?

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