Wenn Nachhaltigkeit an Schulen mehr als nur eine leere Worthülse sein soll, dann muss man sich zwangsläufig mit refurbished (= wiederaufbereiteter) Hardware auseinander setzen.

Wenn SchülerInnen vom Staat für die Unterstufe geförderte Laptops zur Verfügung gestellt bekommen, dann ist von einer maximalen Nutzungsdauer von 4 Jahren auszugehen. Bei einem Wechsel von der Sekundarstufe I zu II können diese Geräte in der Regel nicht mehr weiterverwendet werden, da eine heterogene Nutzung verschiedener Gerätetypen zwar grundsätzlich möglich aber in der Regel aus mehreren guten Gründen nicht gewollt ist.

Setzt man jedoch auf gebrauchte, hochwertige, ca. 3-4 Jahre alte Business-Geräte, ist mit Abschluss der Unterstufe ein sinnvolles Lebensende der Geräte erreicht und dem Prinzip der Nachhaltigkeit Rechnung getragen.

Aus dieser Überlegung haben wir uns mit bestem Wissen und Gewissen für refurbished Laptops entschieden, die wir zudem mit dem freien Betriebssystem Linux betreiben, um Nachhaltigkeit mit Digitaler Souveränität zu verschmelzen.

In diesem umfangreichen Bericht wollen wir den Prozess rund um die refurbished Laptops von der Typenentscheidung bis zur Ausrollung darstellen, um dieses Modell in Zukunft für weitere Schulen interessant zu machen.

Entscheidung für refurbished Laptops

Als das BMBWF von den Schulen verlangte, sich für Tablets, Chromebooks oder neue/gebrauchte Laptops zu entscheiden waren keinerlei Spezifikationen zu den verschiedenen Gerätetypen bekannt und eine seriöse Typenentscheidung eigentlich unmöglich.

Da wir die Aspekte Nachhaltigkeit, Wartbarkeit und Digitale Souveränität seit Jahren in den Vordergrund stellen, kamen für uns nur mit Linux betriebene, gebrauchte Laptops in Frage.

Leider mussten wir feststellen, dass weder vorinstallierte Geräte mit Linux (laut BMBWF erhöhte Logistik-Kosten bei geringer Nachfrage) noch eine Linux-Kompatibilität wie bei der u:book Aktion angeboten bzw. gewährleistet wurden. Beides Punkte, die bei der nächstjährigen Geräteausrollung unbedingt berücksichtigt werden sollten!

Nach weiteren Anfragen im BMBWF wurden uns dankenswerterweise verschiedene in Frage kommende Hardware mitgeteilt ohne jedoch auch zu diesem Zeitpunkt Linux-Kompatibilität gewährleisten zu können. Warum dies ein Distributor nicht schaffen kann/soll, entzieht sich bis heute unserer Kenntnis.

Nach einiger Recherche ist unsere Entscheidung dann auf das Lenovo ThinkPad E470 gefallen, das unseren Anforderungen am ehesten genüge leisten konnte.

Quelle: afb-shop.at

Anlieferung der refurbished Laptops

Ursprünglich hätte schon im Sommer 2021 ein Test-Gerät an die Schule gelangen sollen. Die Lieferung der SchülerInnen und LehrerInnen Geräte war ca. mit Oktober 2021 anvisiert. Obwohl die Geräte schon im Lager des Distributors vorrätig gewesen sind (schließlich handelte es sich um keine Neuware aus Asien), mussten wir bis zum 15. Dezember 2021 auf die Lieferung warten. Dieser holprige Start setzte sich dann mit der Anlieferung nahtlos fort, welche am Vormittag angekündigt aber erst am Nachmittag durchgeführt werden konnte.

Hier muss man dem Distributor AFB zugute halten, dass dieser um einen guten Informationsaustausch mit uns bemüht war und letztendlich selbst vom Spediteur abhängig ist.

Die späte Auslieferung kurz vor Weihnachten brachte uns als Schule jedoch arg in die Zwickmühle, da die Eltern und Kinder seit Wochen/Monaten auf die Geräte warteten, aber eine Ausgabe von 12 Klassen (= 302 Geräten) noch vor den Weihnachtsferien somit einer mission impossible glich.

Ausgabe der AVB + Eltern-Informationsabend

Da lange Zeit Unklarheit darüber geherrscht hat, ob Eltern nun auch ein schon im Bestand befindliches, gleichwertiges Gerät einbringen durften, haben wir die Ausgabe der AVB (= Allgemeine Vertragsbedingungen) lange zurückgehalten. Die späte Kommunikation des exakten Liefertermins (KW 50) durch den OEAD gekoppelt mit der zeitnahen Ausgabe der AVB (KW49) führte nun dazu, dass wir bis zur letzten Woche vor den Weihnachtsferien trotz zahlreicher Aussendungen und Telefonate nicht mehr alle Zustimmungen der Eltern erhalten haben.

Den Elternabend haben wir aufgrund der COVID-Einschränkungen online über BigBlueButton abgehalten. Ca. 250 gleichzeitige TeilnehmerInnen stellten für uns die bisher größte Videokonferenz mit dieser freien Open Source Lösung dar. Bis auf 6 TeilnehmerInnen mit Client-seitigen Problemen verlief der Online-Austausch ohne technische Komplikationen.

Auffällig war im Zusammenhang mit dem Elternabend vor allem die Tatsache, dass die meisten Eltern keine Klarheit darüber hatten, ob sie den AVB bereits zugestimmt hatten. Das führte für uns als Schule dazu, dass wir zusätzliche Kontrollschleifen einführen mussten.

Positiv zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang viele positive Rückmeldungen der Eltern und KollegInnen zur nachhaltigen Auswahl der Geräte, denen Null Forderungen zu neuer Hardware gegenüber standen. Das zeigt sehr schön, dass entgegen der blanken Statistiken bei der Typenentscheidung sehr wohl viele Beteiligte bereit sind, sich auf refurbished Laptops einzulassen, wenn die Idee dahinter etwas mehr nach außen getragen werden würde!

Vorbereitung der Ausgabe

Unser IT-Assistent unterstützt uns jeweils Mo. Vormittag und Mi. Nachmittag bzw. Freitag je nach Arbeitsaufkommen. Dies haben wir zum Anlass genommen, den Fr. 17. Dezember 2021 gleich nach der Anlieferung am 15.12. für die Aufbereitung der 4 Paletten mit Laptops zu nutzen.

Die Geräte wurden lose (d.h. ohne Schachtel für jedes Gerät) geliefert. Das ist rückwirkend betrachtet sogar nachhaltig, hat uns aber etwas am falschen Fuß erwischt.

Laptops auf der Palette
Laptops ohne Original-Verpackung

Für die Abwicklung der Geräteausgabe benötigten wir die SN (= Seriennummern) aller Geräte, die den Schülern in der Plattform app.digitales-lernen.gv.at des OEAD zugewiesen werden müssen. Bei Neugeräten befinden sich Daten wie SN und MAC-Adresse üblicherweise außen auf der Schachtel auf einem Pickerl. Die fehlende Verpackung sowie die Platzierung des Etiketts mit der SN unterhalb des Akkus (im Sinne einer Nachhaltigkeit zumindest wechselbar) führten dazu, dass unser IT-Assistent alle Akkus entfernen musste, um die SN scannen zu können.

Die SN wurden uns zwar im Vorfeld von der Firma AFB zur Verfügung gestellt, doch der Nutzen war für uns geringer als zu Beginn angenommen.

Zwei Szenarien waren für uns nun vorstellbar:

  • wir weisen vorab jedem Schüler eine SN zu und unser IT-Assistent sucht das passende Gerät aus den Paletten raus (unzumutbar – kam für uns somit nicht in Frage)
  • unser IT-Assistent nimmt irgendein Gerät aus der Palette, scannt die SN, beklebt das Gerät mit vorher von uns erzeugten Pickerln (Name des Schülers + Klasse) und legt das nun fertig vorbereitete Gerät im Lager ab – die eingescannten SN stehen uns dann in eigenen CSV-Dateien zur Verfügung in denen die Zuordnung zwischen SchülerIn und SN gegeben ist

Eine Ausgabe der Geräte mit nachträglicher, händischer Zuweisung der SN zu jedem einzelnen Schüler in der OEAD-Plattform kam für uns nicht in Frage, da ein derartiges Verfahren einfach nicht state-of-the-art ist. 302 Seriennummern händisch zuzuweisen und dabei jedes Mal die richtige SN aus einer Drop-Down-Liste mit zu Beginn 302 Einträgen zu finden, darf getrost als unzumutbar bewertet werden.

Wir haben uns somit dazu entschieden, die SN automatisiert in die Plattform vom OEAD einzutragen. Da jedoch kein CSV-Import implementiert wurde (wäre ebenfalls state-of-the-art) haben wir auf ein Python-Programm eines Kollegen zurückgegriffen, der sich ebenfalls nicht mit einer händischen Zuweisung hunderter Datensätze anfreunden konnte.

Die dafür notwendigen Daten – eine CSV-Datei mit der validen Zuordnung von SchülerIn zu SN pro Klasse – standen ja bereits zur Verfügung.

Nach Einspielen der CSV-Dateien über das Python Skript zur automatisierten Dateneingabe in einer Webseite mussten nur noch die entsprechenden Ausgabe-Dokumente gedruckt werden.

Ausgabe der Geräte

Die Ausgabe der Geräte an die SchülerInnen erfolgte bei uns in einem 1+1+1 Modell.

  • 1 Stunde Ausgabe der Geräte + Unterschrift der SchülerInnen + Funktionstests + Austausch defekter Geräte/Akkus aus dem Pool der LehrerInnengeräte + Erfassen der MAC-Adressenn (LAN + WLAN) mit einem von uns selbst erstellten Bash-Script (1 IT-Manager + 2 INF-LehrerInnen)
  • 1 Stunde Arbeiten mit dem Gerät (2 INF-LehrerInnen), um Besonderheiten des eigenen Geräts kennenzulernen und etwaige weitere Defekte zu erkennen (z.B. defekte Tasten).
  • 1 Stunde Besprechung der allgemeinen Verhaltensregeln (Klassenvorstand)

Im nächsten Jahr planen wir eine Änderung des 1+1+1 Modells auf ein 2+1 Modell ohne Beisein des IT-Managers.

Geräte wurden klassenweise aus dem IT-Lager zur Ausgabe geholt
SchülerInnen im Mehrzwecksaal
Booten der Geräte vom Lernstick
Arbeiten mit der freien Lernplattform eduvidual.at
Testen der Webcams und Mikros in BigBlueButton

Im Durchschnitt mussten wir pro Klasse ein Gerät und einen Akku ersetzen. Bei den Akkus gilt es auch festzuhalten, dass diese vollgeladen, teilgeladen und tiefentladen geliefert wurden. Letzteres sollte natürlich tunlichst vermieden werden und wird womöglich noch zu einigen Reklamationen führen.

Verbesserungsbedarf

Dass bei einem derartig großen Projekt nicht alles reibungslos abläuft, muss bis zu einem gewissen Grad hingenommen werden. Manche Punkte können, sollten bzw. müssen im nächsten Durchlauf verbessert werden. Man sollte dem BMBWF bzw. dem OEAD somit auch die Chance geben, Kritiken zu sammeln und im 2. Durchlauf zu berücksichtigen.

  • Seriennummern – Teil 1: Eine händische Erfassung der SN ist inakzeptabel – eine Einspielung per CSV-Datei technisch leicht realisierbar.
  • Seriennummern – Teil 2: Erst durch Zufall ist uns aufgefallen, dass nicht alle Seriennummern der gelieferten Laptops in der OEAD-Plattform eingetragen wurden, sondern nur die SchülerInnen-Geräte + 3 pro teilnehmender Klasse. Die restlichen vom Bund finanzierten LehrerInnen Geräte wurde nicht erfasst. Diese führte bei uns dazu, dass die von uns erstellten CSV-Dateien allesamt richtig, aber leider inkompatibel zur OEAD-Plattform waren. Die Ausgabebestätigungen passten somit nicht mehr mit den tatsächlich ausgegebenen Geräten zusammen – wir arbeiten noch immer an einer Lösung ohne händisch alle 302 SchülerInnen-SN-Zuordnungen einzeln zu löschen. Ein Bulk-Delete gibt es hier ebenso nicht und der OEAD sieht sich außerstande, die Daten einfach zentral zu löschen und die von uns ausgegebenen SN einzuspielen.
  • Seriennummern – Teil 3: Alle gelieferten Geräte sind mit deren SN beim Distributor AFB ohnehin bekannt. Aus unserer Sicht ist das ganze Prozedere mit der aufwändigen Zuweisung von SN in der OEAD-Plattform schlichtweg unnötig. Ein immenser Aufwand für nichts, wenn man bedenkt, dass die Garantieabwicklung auch ohne diesem bürokratischen Aufwand locker möglich ist.
  • Austausch defekter Geräte: So wie es der Prozessablauf vorsieht, müsste die Schule die Geräte lediglich an die SchülerInnen austeilen, wenn die AVB kontrolliert wurden. Dass damit in Kauf genommen wird, dass Kinder mit kaputten Geräten nach Hause gehen, ist nicht im Sinne der Schulgemeinschaft. Heuer konnte dies durch den Pool an LehrerInnen-Geräten abgefedert werden, die als Ersatz-Geräte herhalten mussten. Für das nächste Jahr wäre es zumindest wünschenswert, dass eine geringe Anzahl Reserve-Geräte mitgeliefert werden, die ohnehin von den Distributoren vorrätig sein müssen.
  • Lieferdatum – Teil 1: Dass neue Geräte auf Grund von weltweiten Lieferengpässen womöglich nicht fristgerecht geliefert werden können, ist höheren Einflüssen geschuldet. Dass jedoch gebrauchte, bereits vorrätige Geräte auch erst extrem verspätet verteilt werden, wirft jedoch ein schiefes Licht auf den Ablauf.
  • Lieferdatum – Teil 2: Auch wenn es zu Verzögerungen kommt, wäre es wünschenswert, dass für die Ausgabe vor Weihnachten zumindest 2 volle Wochen Zeit sind – dies bedingt eine Lieferung bis spätestens Anfang Dezember (in Aussicht gestellt wurde uns sogar Ende November nach mehrfacher Nachfrage im BMBWF – geworden ist es dann jedoch der 15.12.).
  • Betriebssystem: Wenn Nachhaltigkeit und Digitale Souveränität auch im Bildungswesen einen Wert haben sollen, kommt man nicht darum herum, auch Geräte mit vorinstalliertem Linux anzubieten. Dass nicht gleich im ersten Jahr eine hohe Nachfrage zu erwarten ist, soll keine Ausrede sein, hier entsprechende Akzente zu setzen und Aspekte wie Unabhängigkeit, Anpassbarkeit und Wertschöpfung in der EU in den Vordergrund zu stellen.
  • Linux-Kompatibilität: Unabhängig davon ob es sich um neue oder gebrauchte Geräte handelt, muss Linux-Kompatibilität eines der Basis-Kriterien darstellen, um die Geräte vielseitig und langfristig nutzen zu können. Die Aktion u:book der Unis zeigt schon seit Jahren, dass dies problemlos möglich ist.
  • MDM: Seitens OSOS haben wir bereits mehrere Varianten aufgezeigt wie mit Open Source Mitteln Geräte mit vertretbarem Aufwand in das Schulnetz integriert werden können. Der Einsatz von Industrielösungen wie Microsoft Intune schießt hier weit über das Ziel hinaus und verlagert abermals wertvolle pädagogische Ressourcen der IT-Manager hin zu technischen Diensten für die sie gar nicht zuständig sind.

Abschließende Worte

Ob der enorme finanzielle und organisatorische Aufwand tatsächlich den erhofften Mehrwert liefert, wird man erst in einigen Jahren seriös beurteilen können. Zugute halten muss man dem BMBWF auf jeden Fall, dass frühzeitig erkannt wurde, dass es mit der Ausrollung von Hardware alleine nicht getan ist. Die Weiterbildung der Lehrkräfte sowie die Einführung eines Pflichtfaches zur digitalen Grundbildung sind nur zwei Beispiele, die hier ein Gesamtkonzept erkennen lassen.

Derzeit gibt es wissenschaftliche Studien, die sogar schlechtere schulische Leistungen bei zu viel (schlecht geplanter / durchgeführter) Technologienutzung belegen. Wenn es gelingt, hier Ressourcen mehr in Richtung didaktische, zielgerichtete Innovationen zu bündeln, und dabei Nachhaltigkeit und Digitale Souveränität nicht zu vergessen, kann in einigen Jahren vielleicht ein messbarer Mehrwert entstehen!

Kategorien: Allgemein

2 Kommentare

Christian · 09.01.2022 um 10:49

Danke für den umfangreichen Erfahrungsbericht!

Martin · 24.02.2022 um 13:36

Ich finde es ermutigend, dass ihr euch da so engagiert dahinteegeklemmt habt. Toller Bericht und Inspiration!

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