Die Bürokratie in den Schulen nimmt immer mehr zu. Personen, die nicht in der Schule tätig sind, wissen, aber nicht immer was damit gemeint ist, oder meinen vielleicht, dass hier einfach zu viel gejammert wird. Deshalb ein konkretes Beispiel aus der Praxis.

Unsere Schule wurde ausgewählt, an einer Studie mit dem sperrigen Namen ICILS teilzunehmen. ICILS (International Computer and Information Literacy Study) ist eine international vergleichende Schulleistungsstudie der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA). Die Studie untersucht die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit digitalen Medien und Technologien.

Chronologisch hat es so begonnen. Die Administration wurde am 5. Dezember vom IQS (Institut des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen) darüber informiert, dass unsere Schule am ICILS teilnehmen wird.. wörtlich: „Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) informieren wir Sie über die Teilnahme Ihrer Schule an der International Computer and Information Literacy Study (ICILS). Ihre Schule ist eine von 158 ausgewählten Schulen, die Österreich in dieser international vergleichenden Leistungsstudie repräsentieren. ICILS findet an österreichischen Schulen zwischen dem 8. Mai und 9. Juni 2023 statt. Die Testtermine werden zwischen Ihnen und der Testleiterin/dem Testleiter vereinbart.“

Weiters wurde in dem Mail um die Nennung einer Schulkoordinatorin/eines Schulkoordinators, um die Bekanntgabe der Klassendaten und um die Überprüfung der IT-Ausstattung ersucht. Zur Überprüfung der EDV-Ausstattung wurden mehrere USB-Sticks mit entsprechender Software per Post zugesandt. Die E-Mail enthielt auch ein PDF-Dokument, in dem die Vorgehensweise erläutert wurde.

Im PDF-Dokument wird unter Punkt 4 auf Seite 6 erklärt, wie der Systemcheck durchzuführen ist.

Da wir ausschließlich Linux-Geräte in der Schule haben, funktioniert das natürlich nicht. Also rufe ich die angegebene Nummer an. Da das Telefon nur zwischen 8 und 14 Uhr besetzt ist, wird der Anruf auf den nächsten Tag verschoben.

Am nächsten Tag erkläre ich den Sachverhalt am Telefon und möchte noch wissen, warum das IQS Tests durchführt, die mehr als einen Browser voraussetzen. Eine schlüssige Erklärung bekomme ich nicht, aber eine Lösung für mein Problems. Das IQS wird uns ein paar Tage vor der Prüfung ca. 30 Laptops in Schalchteln schicken. Im Jahr 2023, wir haben 3 EDV-Säle je 30 Arbeitsplätze, aus der Geräteinitiative stehen unserer Schule auch mehr als 30 Laptops zur Verfügung, aber keines der vorhandenen Geräte erfüllt die Anforderungen für eine Prüfung, in der die digitalen Kompetenzen überprüft werden sollen. Wer hat eigentlich die digitalen Kompetenzen derjenigen überprüft, die diesen Test entwickelt haben? Wer lange genug in der Schule arbeitet, weiß, dass man Dinge die von „oben“ kommen und die man nicht ändern kann, nicht in Frage stellen sollte, sonst ist man sehr schnell im Burnout. Umgekehrt wäre es aber begrüßenswert, wenn die „oben“ auch mal bei den Lehrerinnen und Lehern nachfragen könnten. Egal, das Problem ist gelöst, wir bekommen Laptops geschickt…

Jetzt ist noch einen Fragebogen ausfüllen – Deadline 16. Dezember. Das geht sich aus.

30.01 ein weiteres E-Mail von IQS, darin heißt es: „Zur weiteren Vorbereitung der Testung und Befragung bitten wir Sie nun um die Meldung der Schüler/innen- und Lehrer/innen-Daten.

Ich wollte ja keine Fragen mehr stellen, aber wozu haben wir Sokrates, wenn ich dann wieder händisch Daten in ein Excel-Datei (warum nicht CSV, ich habe kein Excel?) eintragen und versenden soll. Nachdem der Anschein von Anonymität gewahrt bleiben soll, gibt es wiederum ein PDF-Dokument als Anleitung, wie die Excel-Datei auszufüllen ist.

Ich beginne die Lehrerliste auszufüllen und komme zu dem Schluss, dass dies nicht DSGVO-konform möglich ist, wenn ich die erforderlichen Daten eintrage. Geburtsjahr, Geschlecht, Hauptfach, Schule, unterrichtende Person in der 8. Schulstufe, daraus kann eindeutig auf eine bestimmte Person geschlossen werden. Datenschutz und echte Anonymität – Fehlanzeige. Es folgt ein weiterer Anruf bei IQS und ich erläutere nochmals das Problem.

Wiederum tauchen Fragen auf, die ich nicht stellen sollte. Arbeiten im IQS auch Juristen? Gibt es Juristen im BMBWF, die dem IQS hier weiterhelfen könnten? Ist das Ganze ein „Bug“ oder die nicht gewährte Anonymität gewollt – also ein „Feature“, weil jemand wissen will wie gut/schlecht jemand beim Fragebogen abschneidet?

Am Telefon werden diese Fragen auch nicht beantwortet, aber ich habe den Eindruck, dass es Verwunderung darüber gibt, dass sich überhaupt jemand Gedanken über Datenschutz und Anonymität macht. Schließlich verspreche ich dem Herrn, das Formular datenschutzkonform auszufüllen, also Geschlecht, Geburtsjahr und Hauptfach wegzulassen. Detto in der Schüler:innendatei. Die Deadline für das Hochladen der Dateien wird natürlich eingehalten.

Es folgen ein paar weitere Anrufe und E-Mails sowie eine Postsendung mit den Materialien. Unter den Materialien befinden sich auch Kuverts für die Eltern der teilnehmenden Schüler:innen. Diese müssen natürlich verteilt werden. Auch für 20 Lehrer:innen sind Unterlagen da. Die kann ich aber nicht einfach austeilen. Ich muss die Nummern der Kuverts mit meiner Liste der Lehrer:innen vergleichen und diese dann zuordnen, dann können auch diese ausgeteilt werden.

Am 04.05.2023 kommen sechs Pakete mit den Laptops, Verteilern und Mäusen. Ich nehme diese entgegen und versperre sie sorgfältig. In der Zwischenzeit wurde ein Raum für 2 Tage reserviert – die Laptops sollten am besten stehen bleiben können – und der Stundenplan entsprechend aktualisiert.

Ein weiterer Anruf, ob die Pakete angekommen sind und ob für die Prüfung am 8. & 9. Mai alles klar sei.

8. Mai – kurz vor 7 Uhr – ich beginne die Schachteln mit den Laptops in den Raum zu karren, sowie die restlichen Materialien. Ein externer Prüfer kommt und wir besprechen das weitere Prozedere durch. Gegen 8:00 hole ich die Schüler:innen und weise ihnen einen fixen Platz zu. Ich wünsche den Prüflingen alles Gute.

Am nächsten Tag noch einmal. Noch bevor ich den Raum verlasse, gibt es ein Problem mit einem Gerät. Ich denke mir, das ist nicht mein Gerät, das ist Windows, klar dass das Probleme macht. Naja, nach einer Weile funktioniert auch dieser Computer.

Jetzt sind die Laptops wieder in den Schachteln. Sie werden wieder verstaut, bis sie vom Paketdienst abgeholt werden.

Insgesamt viel Aufwand für keinen sichtbaren Mehrwert für SuS. und LuL. Mittlerweile finden an den Schulen sehr oft diverse Testungen statt. Leider schafft es weder die Politik noch das Ministerium daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Das Sprichwort „Vom ständigen Wiegen wird die Sau auch nicht fetter“ sollte von den Bildungspolitikern beherzigt werden. Das bedeutet, dass die ständige Überwachung und Bewertung der Fortschritte von Schüler:innen ohne die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen und Unterstützung ihre schulischen Leistungen nicht verbessern wird. Stattdessen sollten sich die politischen Entscheidungsträger auf die Einführung wirksamer Lehrmethoden, die Bereitstellung angemessener Mittel für Schulen und die Beseitigung systembedingter Ungleichheiten im Bildungswesen konzentrieren.

Einmal im Jahr im November führen wir den Biber der Informatik durch. Dieses System läuft online in einem Webbrowser. Der Aufwand, für alle SuS. Zugangsdaten anzulegen dauert weniger als 15 Minuten. Da könnte sich das IQS ein Beispiel nehmen. Darüber hinaus nehme ich an, dass anhand des Bibers eine gute Aussage zur informatischen Kompetenz der Schüler:innen abgeleitet werden könnte

Schließlich bleibt der Eindruck, dass das BMBWF kein Vertrauen in die eigene Lehrerschaft hat, oder aus welchem Grund muss eine schulfremde Person diese Prüfung abnehmen? Bei der Matura hat man hier schon entsprechende Einsparungen vorgenommen.

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