Vor vielen Jahren hat sich unsere Schule für „Google Apps for Education“ (GAfE) entschieden. Mit dem damaligen Wissen – Eduard Snowden und seine Leaks waren noch nicht bekannt – war die Entscheidung durchaus gerechtfertigt. Der Aufwand einen Mailserver selber zu betreiben, mit allem was so dazugehört – Spamfilter, Virenscanner, Webmail,… – war irgenwann mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr zu stemmen. Google hatte damals begonnen GAfE den Schulen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aus Mangel an Alternativen, Unwissenheit, Naivität sind wir dann auch auf GAfE umgestiegen.

Mit dem aktuellen Wissen – hier ein paar Stichwörter:

  • Datenschutz und Privatsphäre: Große IT-Konzerne sammeln und analysieren permanent Daten.
  • Überwachungskapitalismus: Große IT-Konzerne sind maßgeblich am Aufbau und der Verstärkung des Überwachungskapitalismus beteiligt. Dieser beinhaltet die umfassende Sammlung und Analyse von Daten, um Verhaltensvorhersagen zu treffen und individuelle Profile zu erstellen. Dies führt zu einer tiefgreifenden Überwachung und kann die Privatsphäre der Nutzer gefährden
  • Einflussnahme auf Bildung und Forschung: Große IT-Konzerne versuchen, ihre Macht an Schulen auszuweiten und die Jüngsten an ihre Produkte zu gewöhnen. Sie infiltrieren Lehrstühle, Forschung und Universitäten, um den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt an ihre Interessen auszurichten
  • Gefährdung der Demokratie: Der Überwachungskapitalismus und die Monopolisierung großer IT-Konzerne können die demokratischen Grundlagen gefährden. Durch die Kontrolle von Informationen und die gezielte Beeinflussung von Meinungen können Monopole den demokratischen Diskurs und die freie Meinungsäußerung beeinträchtigen.
  • Steuerpraktiken: Diese Konzerne nutzen ihre Größe und Globalisierung, um Gewinne grenzübergreifend zu verlagern und ihre Gesamtsteuerlast zu minimieren.

wäre oder ist die damalige Entscheidung eine massive Fehlentscheidung gewesen. Es is klar, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann, aber man kann auf die neuen Gegebenheiten reagieren und die Konsequenzen daraus ziehen.

Das haben wir gemacht und haben daher unseren Mailprovider Google durch Mailbox.org ersetzt. Nachdem so ein Umstieg ein längerer Prozess ist und auch einiges an Planung bedarf, hier ein paar Tipps, wie dies auch an Ihrer Schule/Institution klappen kann.

Nach den Snowden-Leaks – hier ein paar interessante Links dazu

– wurde irgendwann klar, dass GAfE der falsche Weg war. Dass massiver Handlungsbedarf besteht, wurde einige Jahre und Bücher später deutlich.

Wenn wir nicht weiter die großen Konzerne unterstützen möchten, die digitale Hypothek, die wir vor allem den Kindern mit der Nutzung von GAfE aufbürden, so gering wie möglich halten wollen und die digitale Selbstbestimmung, den verantwortungsvollen Umgang mit Daten fördern wollen, dann sollten wir alternative, datenschutzfreundliche Plattformen und Tools für die Bildung fördern und nutzen.

Der erste Schritt heißt immer Überzeugungsarbeit leisten. Das kann schnell sehr mühsam werden und ist oft auch aufwendig, weil Veränderung auch immer mit Angst und Verlust zu tun hat. Die Überzeugungsarbeit hat viele Ausprägungen. Fortbildungen zu Überwachung, Tracking, Digitaler Selbstverteidigung,… anbieten, natürlich auch Bücher zur Verfügung stellen, ab und zu Links zu genannten Themen teilen, eventuell externe Vortragende (z.B. von epicenter.works, Ingrid Brodnig, Cory Doctorow,…) einladen, auf interessante Videos verweisen – auch dazu eine kleine Liste.

Made to measure
Hört auf, eure Daten zu verschenken!
Agree to disagree
Endlich raus aus Facebook
Who’s winning the legal battle against big data and disinformation
Die Machtmaschine – Wie Facebook und Co. Demokratien gefährden
The Social Dilemma
Social Media Dangers Documentary — Childhood 2.0

Überzeugen kann man natürlich auch, in dem man mit gutem Beispiel voran geht und nicht nur auf Alternativen hinweist, sondern diese auch sichtlich selber verwendet.

Wenn dann der „buy in“ groß genug ist und die verantwortlichen Personen auch gewillt sind vom Reden ins Tun zu kommen, gilt es einen entsprechenden Zeitplan zu erstellen und mögliche Alternativen auf diverse K.O. Kriterien abzuklopfen. In unserem konkreten Fall war uns eine API zum Erstellen/Löschen der Accounts sehr wichtig, da wir mehr als 1000 Accounts zu betreuen haben. Dadurch fallen schon einige Anbieter weg. Darüber hinaus sollte es auch eine Möglichkeit zum Speichern und Bearbeiten von Dateien und Dokumenten geben. Da Mailbox.org diese Anforderungen am besten erfüllen konnte und uns die Dienste auch aus privater Nutzung bekannt waren, war die Entscheidung relativ rasch klar, für wen wir uns entscheiden werden.

Im nächsten Schritt holten wir Angebote von mailbox.org und www.fairkom.eu ein und informierten uns noch ausführlich über diverse technische Details. Ja, weder Mailbox.org noch fairkom können ihre Dienste den Schulen kostenlos zur Verfügung stellen, im Gegensatz zu Google oder Microsoft. Privatsphäre und Datenschutz kosten Geld. Der Satz „Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du das Produkt“ ist bekannt. Und leider haben sich viele Schulen, mit tatkräftiger Unterstützung des Bildungsministeriums, von den großen Konzernen instrumentalisieren lassen und vergrößern die enorme Marktmacht weiter, in dem die SuS. sehr früh an die jeweilige Plattform der IT-Konzerne gewöhnt werden und der Datenstrom zu den Konzernen dadruch größer und größer wird.

Nachdem das Angebot von mailbox.org unseren Vorstellungen entsprach und somit auch die Finanzierung gesichert waren, fehlte noch ein Zeitplan für:

  1. Das Anlegen aller Accounts mit Hilfe der API
  2. Die Einschulung der LuL.
  3. Die Einschulung der SuS.
  4. Migration vorhandener E-Mails
  5. Die konkrete Umstellung im DNS

Relativ rasch nach unserer Zusage an Mailbox.org, haben wir Zugangsdaten bekommen und damit die Möglichkeit mit der API zu experimentieren. Die API ist sehr gut dokumentiert und einfach zu handhaben. Somit konnten relativ zügig alle Accounts angelegt werden.

Deutlich mehr Zeit nahmen dann die Schulungen in Anspruch. In diesen wurde die Webapplikation von Mailbox.org vorgestellt. Weiters wurde erklärt, mit welchen Programmen und wie die Mails am Handy und PC abgerufen werden können. Ein wesentlicher Punkt war auch, wie die Mails von Google zu Mailbox.org transferiert werden können. Wir haben uns bewußt gegen eine automatische Migration entschieden, da eine manueller Import von Mails nicht allzuviel Aufwand ist. Zusätzlich zu den Schulungen wurde ein Moodle-Kurs mit den wichtigsten Infos und Links eingerichtet. Auf diesen Kurs haben alle LuL. und SuS. Zugriff.

Ein paar Tage bevor der DNS-Eintrag „umgebogen“ wurde, wurden noch an ein paar Werten wie TTL, Refresh, Retry, Expire angepasst. Die eigentliche DNS-Umstellung erfolgte dann am 31.10.2023 abends. Kurz darauf traffen dann auch die Mails schon bei Mailbox.org ein.

Gab es Probleme nach der Umstellung? Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, nein gab es nicht, es läuft sehr gut. Zwei falsche Aliase und drei oder vier Passwörter die zurückgesetzt werden mussten, konnten rasch behoben werden. Der Massenversand von Elternbriefen aus einer selbstgebauten Applikation hatte noch ein Timing-Problem, aber das konnte mit Hilfe des Supports auch rasch behoben werden.

Abschließend hoffen wir auch andere Schulen/Institutionen zu einer Migrationen zu einem lokalen Provider motivieren zu können. Die Vorteile liegen auf der Hand

  • Datenschutzkonforme Lösung
  • Keine Werbung
  • Wertschöpfung und Jobs vor Ort
  • Offene Standards – Kein Vendor-Lock-in
  • Zentrale Verwaltung für Admins & API-Schnittstelle
  • Deckt die Anforderung bestens ab (Mail/Kalender/Adressbuch/Cloudspeicher/Kollaboration/Videokonferenz)

Image by Muhammad Ribkhan from Pixabay

Kategorien: PrivatsphäreSoftware

1 Kommentar

aösdkjfl · 21.01.2024 um 10:26

Sehr interessanter Artikel – und sehr interessante Alternative zu den bekannten/gängigen Optionen! Ich denke dass die Verwendung sowohl der Google Apps – (for Education, GSuite, Google Workspace – oder wie immer die aktuell heißen), bzw. von Office 365 – (Microsoft 365 oder…selbes Spiel wie oben) wahrscheinlich eine rechtliche Grauzone darstellt. Und jetzt ein Gedankenexperiment: man stelle sich vor – die dürften nicht mehr verwendet werden. Ein absoluter Supergau – nicht aber für die Schüler – denen ist das vollkommen egal, was bzw. welche Plattform verwendet wird. Sehr viel weniger flexibel (kompetent) würden da andere im Schulumfeld aktive Beteiligte reagieren. Oder man denke allein an die Auswirkungen auf die „Initiative Digitales Lernen“ – wow das wäre tatsächlich ein Supergau!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert